Die
Organisation des Stellungsbaus am
Niederrhein
(September-
Dezember 1944)
Am
03. September 1944 erfolgte
im Gau Düsseldorf und in den
verwaltungsmäßig
angeschlossenen Gebieten der Niederlande der Aufruf des Volksaufgebotes
zum Schanzen am Westwall.
Der Ausbau der Stellungen am Niederrhein erfolgte zunächst
nach Weisungen der
Reichsverteidigungskommissare (Gauleiter) der Gaue Essen,
Düsseldorf und
Köln-Aachen. Die Beschaffung der benötigten
Arbeitskräfte, das sogenannte
Volksaufgebot, war im heutigen Grenzgebiet ebenfalls Sache der Partei
bzw. des
Gaus Düsseldorf, der in Viersen eine Befehls- oder
Leitstelle hatte 38
Neben den noch nicht evakuierten Einwohnern der grenznahen Gemeinden,
wurden notdienstverpflichtete
ZwangsarbeiterInnen aus Ost- und Südeuropa zum Schanzen
eingesetzt. Ebenso
wurden zeitweilig HJ-Angehörige, Reichsarbeitsdienst,
Organisation Todt sowie
am Westwall eintreffende Soldaten zu den Arbeiten
herangezogen.
Gleichzeitig mit dem Anlaufen der Schanzarbeiten, liefen auch
Maßnahmen des
stellvertretenden Generalkommandos VI an, eine durchlaufende
militärische
Besetzung der Weststellungen sicherzustellen. Da für die
Besetzung dieser
Stellungen im September 1944 keine aktiven Kampfverbände des
Feldheeres zur
Verfügung standen, musste bis auf weiteres auf Ausbildungs-,
Ersatz-, und
Genesenden-Einheiten zurückgegriffen werden. Zur
Führung dieser Verbände und
zur Betreuung des weiteren Stellungsbaues am Niederrhein, wurde am
12.09.1944
das Korps Feldt (Krefeld-Hüls) unter dem General der
Kavallerie Feldt
eingesetzt. Zur Besetzung der Stellungen waren dem Korps
zunächst 2 Divisionen
unterstellt. Im nördlichen Abschnitt Div. Schmidt (Geldern),
im südlichen
Abschnitt Div. Räßler (Waldniel). Diesen beiden
Divisionen waren jeweils einige
(Ersatz-) Batallione sowie Luftwaffen-Festungs-Batallione und
Bau-Pionier-Batallione usw. unterstellt, die entlang der Grenze
eingesetzt
wurden.
16
Diesen in den Stellungen eingesetzten Verbänden wurde u.a. die
Ausbildung der
Soldaten an Waffen, die Sicherung der Stellungen bei Feindangriff mit
allen
Mitteln sowie den Ausbau der Stellungen nach Anleitung der
zuständigen
Festungspionier- Dienststellen übertragen. 17
Bedingt durch das schnelle Zurückweichen der Front auf den
Westwall, übernahm
bald die Heeresgruppe B den Befehl über den Niederrhein. Ab
dem 23. 09.
unterlag der nördliche Bereich der Heeresgruppe der 1.
Fallschirm-Armee, in dessen Bereich
das Korps Feldt für die Fragen des Stellungsbaues und der
Besetzung des
Westwalles weiterhin zuständig blieb. 18
Außer den Diensstellen in Düren und Xanten,
gab es zunächst keine
nennenswerten Festungspionier-Dienststellen, die Einfluss auf die
Linienführung
im Einzelnen nehmen konnten oder die fachliche,
sachgemäße Ausführung der
Gräben und Unterstände überwachen konnten.
Erst im Laufe des Septembers trafen
wohl die ersten Fest. Pi. Kommandeure und Stäbe vom
Atlantikwall ein. 19
Der am 15. September zum Korps Feldt versetzte General Jordan
(Höherer Festungs
Pionier Kommandeur zur besonderen Verwendung 4, Höh. Fest. Pi.
Kdr. z. b. V. 4)
vergab dabei die Richtlinien für den Ausbau und die weitere
Linienführung am Niederrhein, wobei
die Entscheidungsgewalt über tatsächliche
Zuführungen von Einheiten bzw.
Arbeitskräften bei General Feldt selbst blieb.
Am 27.Oktober 1944 wurde der bisherige Höhere Fest. Pi. Kdr.
z. b. V. 4
in Fest. Pi. Kdr. XXI (dann Gen. Maj. Eimler) umbenannt. Der
Ausbaubereich reichte
vom Rhein im Norden bis zur Linie Hückelhoven- Erkelenz-
Wanlo- Düsseldorf. In
diesem Bereich oblagen ihm folgende Stellungen: Maas-Stellung,
Westwall-Stellung, Niers-Roer-Stellung, Roer-Stellung, alle weiteren
geplanten
Stellungen und rückwärtigen Riegel. 20
Ihm
unterstanden die beiden Fest. Pi. Stäbe 12 und 27,
wobei der Fest. Pi. Stab 12 im Abschnitt Rhein bis nördlich
Venlo und der Fest.
Pi. Stab 27 zwischen Venlo und Hückelhoven eingesetzt war.
Der Fest. Pi. Stab 27 (Oberst Michelmann, Süchteln) gliederte
sich in die
Abschnittsgruppen I-III. Für die Arbeiten in der
Maas-Rur-Stellung waren wohl
die Abschnittsgruppe I/27 unter Hptm. Michels zuständig, die
bis Ende November
in Venlo lag, sowie die Abschnittsgruppe II/27 unter Hptm. Alexander
(7.10. in
Altmyhl, später in Dalheim und Rickelrath). 21
Am 12.
November wurden das Korps Feldt sowie die ihm untergliederten Kampf-
und
Fest. Pi. Einheiten der neu gebildeten Heeresgruppe H unterstellt. Im
Laufe des
Novembers 1944 wurde das Korps Feldt schließlich versetzt und
im Dezember
aufgelöst. Der Fest. Pi. Kdr. XXI (Gen. Maj. Eimler) mit
seinen beiden Fest.
Pi. Stäben wurde dem Höheren Kommando Niederrhein
unterstellt. 22
Die militärischen Sicherungsaufgaben wurden im
weiteren Verlauf
immer mehr von regulären Heereseinheiten übernommen,
die von den Heeresgruppen
bzw. Armeen bereitgestellt wurden.
Schematische Darstellung der
Befehls- bzw. Zuständigkeitstruktur für die
militärische
Sicherung und den Stellungsbau in der Weststellung im Abschnitt Venlo-
Roermond-Wassenberg im September/Oktober 1944 . Rot- Feldtruppen
(Wehrmacht),
Gelb- Festungspioniere (Wehrmacht),
Grün- Zivile bzw. NSDAP-Organisationen
Der Ausbau im Bereich
der
Maas-Rur-Stellung
In
den wenigen überlieferten Unterlagen zu
den Tätigkeiten der beteiligten Stäbe lassen sich nur
wenige konkrete Hinweise
zum Bau der Maas-Rur-Stellung finden. In den Monaten September- Oktober
1944
hatten offenbar beim durch den Fest. Pi. Stab 27 geleitete Ausbau die
Sicherung
des Maas- und des Rur-Ufers, die Niers-Rur-Stellung, sowie die
feldmäßige
Rearmierung des Westwalls oberste Priorität. 23
Erst in einer Anweisung von General Feldt an den Höheren Fest.
Pi. Kdr. z. b. V.
4 vom 04.10.1944 wird der Bau einer Sehnenstellung bei Roermond-
Wassenberg
erwähnt. 24
In einer weiteren Anweisung an den Festungspionierkommandeur vom
14.10.1944
wird nach Fertigstellung der Rur-, Niers-Rur- und Westwallstellung, der
Ausbau
der Artillerie-Schutzstellung von Rosenthal über Gerderath,
Doveren nach Baal,
sowie der Panzerriegel nordostwärts Rosenthal zur Rur und die
Verbindung zum
Riegel bei Herkenbosch befohlen. 25
Es handelt sich offenbar um die
in zweiter
Reihe
geschaffenen Riegel, die die Verbindung zur Maas-Rur-Stellung
herstellen
sollten.
In den etwa 14täglich vom Höh. Fest. Pi. Kdr. z. b.
V. 4 abgefassten
Kurzberichten über den Ausbau der deutschen Weststellung im
Bereich des Fest.
Pi. Stabes 27, erscheint die Maas-Rur-Stellung erst Ende Oktober 1944.
Am 06.
Oktober wird die 1. Stellung an der Maas als verteidigungsbereit
gemeldet.
Gleichzeitig wird berichtet, dass die Stellungen im südlichen
Teil bereits
unter Artilleriebeschuss liegen. Anscheinend wurden daraufhin die
Arbeitskräfte
aus der Maas-Stellung herausgezogen und in der
rückwärtigen Maas-Rur-Stellung
eingesetzt. Ebenso wurden Fest. Pi. Kompanien und andere
Baupionierbatallione
in weiter ostwärts liegende Gebiete herausgezogen.
In der Maas-Rur-Stellung sollen dann am 25.10.1944 etwa 8866
Arbeitskräfte
eingesetzt worden sein. Am 10.11. waren dann 6668 Kräfte
eingesetzt. Das vom
Westufer der Maas seit Mitte Oktober 1944 stärker werdende
gegnerische
Artilleriefeuer machte es Ende November wohl fast unmöglich,
hier zu Arbeiten.
So wurden die Arbeitskräfte gänzlich aus der Stellung
herausgezogen und
anderswo eingesetzt. Am 25.11.1944 waren nur noch 411 Mann eingesetzt,
am
10.12. wieder 918 Mann, am 25.12. erneut lediglich 479 Mann, am
10.01.1945
schließlich nur noch 250 Mann. 26
Neben den Beeinträchtigungen durch gegnerisches Feuer, litt
der weitere
Stellungsbau wohl zunehmend an Mangel an Hindernismaterial und Material
zum Bau
von Unterständen durch Transportschwierigkeiten. So wurde am
28. Dezember die
Stellung als bedingt verteidigungsfähig u. a. wegen fehlender
Unterstände
eingestuft. Weiter machten im Dezember/ Januar die schlechten
Witterungsbedingungen sowie der ständige Abzug des
Volksaufgebotes und
OT-Firmen zum Katastropheneinsatz die Arbeiten immer schwieriger. 27
Die Bereitstellung des Volksaufgebotes
erfolgte durch
den
Gauleiter in seiner Funktion als Reichsverteidigungskommissar. Durch
immer
stärkere werdende Luftangriffe auf das Rheinland, mussten
darum ab Anfang 1945
immer mehr Arbeitskräfte zu Reparaturmaßnahmen
an Infrastruktur und in
Betrieben abgezogen werden.
Das Volksaufgebot bestand hauptsächlich aus ost- und
südeuropäischen
ZwangsarbeiterInnen, die zunächst vorwiegend zur Arbeit in
kriegswichtigen
Betrieben eingesetzt wurden. Diese für die harte Schanzarbeit
im Winter nur
völlig unzureichend mit Verpflegung und Bekleidung versorgten
Arbeitskräft
wurden per Zug an die Baustellen gebracht. Die Unterbringung erfolgte
dabei
meist in notdürftig hergerichteten öffentlichen
Gebäuden, Betrieben oder gar
Kuhställen unter widrigsten sanitären
Bedingungen.
Zivilarbeiter
beim
Ausheben
eines Panzergrabens
Neben
den sog. Fremdarbeitern wurden die
verbliebenen Einwohner der umliegenden Gemeinden beiderseits der Grenze
(das
niederländische Gebiet zwischen Venlo- Roermond und Vlodrop
wurde ab 09.
September an den Gau Düsseldorf „politisch und
verwaltungsmäßig“ angeschlossenen)
zu den Arbeiten herangezogen. Die meisten Berichte über diese
Zeit liegen uns
heute in Form ihrer Zeitzeugenberichte aus der Heimatliteratur vor:
„Durch Zivilarbeiter aus den Rückwärtigen
Gebieten wurden Panzergräben,
Panzersperren und Laufgräben gebaut. Flak- und MG-Stellungen
verstärkten die
Verteidigungsstellungen, die sich westlich Kaldenkirchen und Bracht
entlang der
limburgischen Grenze hinzogen. 28
“
„ Eine weitere Beeinträchtigung des Elmpter
Gemeindewaldes trat ein, als 1944
für den Bunker- und Stellungsbau von den deutschen Truppen
über 2000 Festmeter
Kiefernstammholz ohne jede Kontrolle geschlagen wurden. Durch den
Ausbau von
Panzergräben und Stellungen, die zum Teil noch heute im
Grenzwald zu sehen
sind, wurden insgesamt 45 Hektar Waldbestände vernichtet.
[...] Zum Ende des
Krieges hin wurden darüber hinaus ca. 1000 Festmeter
Kiefernstammholz durch
Artilleriebeschuss zersplittert und auch nach dem Zusammenbruch
entstanden
größere Schäden durch die Sprengung von
Munition und Blindgängern. Die nicht
wehrfähigen Männer wurden zum Volkssturm aufgerufen
und hatten Bäume im Elmpter
Wald zu fällen. Sie mauerten diese an einigen Stellen der
Strassen in Beton
ein, damit sie als Panzersperren dienten. [...] 30
“
Die Chronik der Schule An der Wae (Elmpt) berichtet in diesem
Zusammenhang:
„Als der Geschützdonner immer näher kam,
musste am 6.September 1944 auf
polizeilichen Befehl die Schule geschlossen werden. Dann wurde Stroh in
den
Schulsaal gefahren und schon ein paar Tage darauf die schule mit 35
Flak-Soldaten belegt. In der ganzen Gegend mussten
Panzergräben und
Schützengräben ausgeworfen werden.[...] 31
“
„Die ganze Gegend (Anm.:um Wassenberg) wurde mit
Panzergräben, Schützengräben,
MG- Nestern, Batteriestellungen ausgebaut. 29
“
Im Bereich um Effeld begannen die Erdarbeiten wohl um den 20. September
1944
mit der Einquartierung der Pionier-Einheit Pfeffer (?) und
Schanzarbeitern, die
auf über 50 Hektar Panzergräben und Feldstellungen
rund um Effeld ausgruben.
Später legten sog. "Tataren", Russen in deutschen Uniformen,
die
Drahtverhaue an. 32
Dass dieser Arbeitsdienst keineswegs freiwillig war und wie
menschenverachtend
unter diesem Regime gehandelt wurde, daran erinnert heute ein Mahnmal
an der
deutsch-niederländischen Grenze nahe der A52 am
Lüsekamp.
Unweit dieser Stelle wurden am 26. und 27. Dezember 1944 dreizehn
Personen aus Roermond
und ein polnischer Staatsbürger von einem Exekutionskommando
der 606. ID z. B. V. (später 8.
Fallschirmjägerdivision) erschossen, die der Weigerung zum
Arbeitsdienst sowie
des Zusammenschlusses in einer deutschfeindlichen Organisation
beschuldigt
wurden.33
Mahnmal
für die ermordeten Roermonder am Lüsekamp unweit des
Grenzüberganges.
|
|
Fußnoten-
Klicken Sie
auf die jeweilige Ziffer, um wieder in den Text zu gelangen!
16.
Kriegsgliederung/Einsatzkarten Korps Feldt am 22.09.1944 in BAM RH
24
17.
Korps Feldt 76/44
18. dito
19. siehe
M. Groß: Der Westwall zwischen Niederrhein und Schneeifel,
S. 32
20. Korps
Feldt 348/44
21.
Kriegsgliederung Korps Feldt
22. siehe
M. Groß: Der Westwall zwischen Niederrhein und Schneeifel,
S. 338
23. Kurzbericht
über den Ausbau der Weststellung bis 30.10.1944, Fest. Pi.
Kdr. z.b.V. 4 in BAM RH 11-III
24. Korps
Feldt 148/44
25. Korps
Feldt 245/44
26.
Kurzbericht über den Ausbau der Weststellung bis 28.01.1945,
Fest. Pi. Kdr. z.b.V 4 in BAM RH 11-III
27. dito
28. siehe
L. Hügen: Der Krieg geht zu Ende
29. siehe
H. Heinrichs: Wassenberg, S. 442
30. siehe
L. Hügen: Zwischen Schwalm und Grenzwald: Die Geschichte der
Altgemeinden Elmpt und Niederkrüchten, S.247-250
31. dito
38. siehe
H. Koschick: Der Westwall vom Denkmalwert des Unerfreulichen, S. 102-103
32. siehe
J. Kever in: Heimatkalender des Selfkantkreises 1955
33. siehe für detaillierte Informationen: K. Marcus in: Heimatbuch des Kreises Viersen 2007, S.202ff
|