Strukturen
der Stellung
In der Maas-Rur-Stellung sind
heute noch größere Teile der Feldbefestigungen
erhalten, was wohl der Tatsache zu verdanken ist, dass die
Stellung
parallel der heutigen Grenze durch den weitestgehend
geschützten Naturraum
des Naturparks Maas-Schwalm-Nette verläuft und somit die
infrastrukturelle
Erschließung und Bebauung, sowie die landwirtschaftliche Nutzung nach Kriegsende gering blieb.
Im
Folgenden werden die
verschiedenen Abschnitte und deren ursprünglicher Ausbau sowie deren heutiger Erhaltungszustand
skizziert, wobei die Abschnittseinteilung für die hier
vorgenommene Dokumentation willkürlich bzw. aus Gründen der Übersichtlichkeit gewählt wurde.
Sicherlich
wurden durch die damaligen Planer der Stellung, die Festungspioniere
(Fest.
Pi.), Unterlagen, Karten und Fortschrittsberichte verfasst, die uns
heute
genauen Aufschluss über die Ausführungen beim Bau
geben könnten. Leider sind
die meisten dieser Unterlagen der entsprechenden Fest. Pi.
Dienststellen nicht
bis heute überliefert worden, sprich: verschollen. Daher
konnte die
Rekonstruktion der einstigen Befestigungen nur anhand von alliierten
Stellungskarten, Luftbildern sowie vielen Erkundungen und Begehungen
erfolgen.
Strukturen Nord: Brüxken -
Venlo
Aus
erhaltenen Archivunterlagen, Stellungskarten und alliierten Luftbildern
konnte
ermittelt werden, dass die Maas-Rur-Stellung als separate
Verteidigungslinie westlich des Dorfes Brüxken (bei Herongen), etwa beim ehem. Nordkanal
ihren Ursprung nahm und dort von der
eigentlichen Westwall-Stellung abzweigte.
1
Die Bunkerlinie
des in diesem Abschnitt 1939
erbauten Westwalls, oft als sogenannte Geldern-Stellung bezeichnet,
verlief dabei
von Kleve kommend über Westerbroek, Herongen, an den
Nette-Seen vorbei über
Hinsbeck, Lobberich bis nach Born bei Brüggen. Zwar wurde 1944
auch diese
Bunkerstellung, die vorwiegend aus Mannschafts-Unterständen
bestand, im
Zuge des feldmäßigen Ausbaues mit
Erdstellungen und Ringständen verstärkt (ab Jan. 1945 auch als als "Scharnhorst-Stellung" bezeichnet). 2
Wie
bereits beschrieben, verlief diese Stellung aber
dann von Brüxken aus in süd-östlicher
Richtung über Rieth, Niederdorf und
die Buschberge bei Louisenburg in Richtung Hinsbeck bis Brüggen.
Bei Rieth bzw.
Brüxken zweigte also die
Maas-Rur-Stellung in süd-westlicher Richtung, dem
Maas-Hang folgend in Richtung Venlo von
der eigentlichen Westwall-Stellung ab (vgl.
Übersichtskarte Einleitung bzw.
Karte 1a).
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Karte
1a: Detailkarte des Abzweiges der Maas-Rur-Stellung von der Westwall (Geldern-) Stellung bei Herongen |
Luftbildauswertungen 3 und Erkundungen in diesem
Bereich haben ergeben, dass
der Abhang zur Maas fast auf der gesamten Länge zwischen dem alten Nordkanal und Venlo als
Panzerhindernis mit einem
Panzergraben oder Steilhang ausgebaut wurde (Karte 1). Nördlichen davon, im
Bereich zwischen Rieth und der Bundesstraße 58, diente wohl
der damals schon vorhandene "Leitgraben", ein breiter
Entwässerungsgraben, als Panzerhindernis.
In den Feldern oberhalb des Hanges bzw. im Hang, also östlich
des
Panzerhindernisses, wurde ein 200-300m tiefes, durchlaufendes
Stellungsystem
angelegt. Im Westwallabschnitt bei Dam wurden dazu auch die vorhandenen
Westwall-Bunker der Geldern-Stellung in diese Feldstellungen mit
einbezogen
(siehe auch Karte 1a).
Dieses
Stellungssystem bestand neben dem Panzerhindernis aus zwei parallel
dazu verlaufenden Schützengräben. Ein erster Graben wurde direkt an
der Hangkante, ein weiterer in 50-200 Metern Abstand dahinter angelegt.
Diese waren immer wieder durch Annäherungsgräben miteinander
verbunden. Am hinteren Graben zweigten immer wieder
Schützen-Stellungen für MG ab. Weniger oft wurden in diesem
Abschnitt Erdbunker und betonierte MG-Ringstände eingebaut.
Letztere konnten bisher nur bei Herongen (siehe Karte 1a) und
südlich Venlo nachgewiesen werden (Karte 1).
Luftbild vom 19.
November
1944: Venlo-Herungerberg mit Klagenfurtlaan
(von links) und Louisenburger Weg (nach rechts unten). Unten rechts: Teil des
Flugfeldes des Fliegerhorstes Venlo mit Bombenkrater; direkt darüber eine Flakstellung. Mitte und Oben
rechts: Einrichtungen und Gebäude (teilweise gesprengt) des
ehem.
Nordlagers des Fliegerhorstes. Deutlich lässt sich der
feldmäßige Ausbau
entlang der Hangkante erkennen. Unterhalb des Abhanges befindet sich das
Panzerhindernis (schwarze Pfeile), oberhalb der vordere Laufgraben (orange Pfeile) und der hintere Laufgraben (gelbe Pfeile)
mit
Verbindungsgräben.
Auch im südosten Venlos kann der Verlauf des
Panzergrabens und der
Stellungen rekonstruiert werden.
Im Bereich des
Kaldenkerkerweges und des Leutherweges fand ein besonders deutlicher
Ausbau statt. Ein Panzergraben verlief halbkreisförmig um die
Vorstadt, etwa vom heutigen Fußballstadion bis zur Loyolastraat.
Ein kleineres Stück querte den Kaldenkerkerweg bereits weiter
stadteinwärts. Hinter diesem Panzerhindernis wurden zwei bis drei
parallele Laufgräben angelegt. Zwischen diesen wurden viele
MG-Stellungen angelegt, sowie Stellungen und Unterstände für
Mörser, Panzerabwehrkanonen oder Soldaten. Der Ausbau von
betonierten Ringstände konnte in diesem Bereich bisher nicht
nachgewiesen werden.
Luftbild vom 18.
November
1944: Der Südosten Venlos mit dem Kaldenkerkerweg
(von links) und dem Leutherweg (Bildmitte). Deutlich
lässt sich der
feldmäßige Ausbau außerhalb der Stadt erkennen. Das
Panzerhindernis (schwarze Pfeile), südlich/östlich davon der
vordere Laufgraben (orange Pfeile) und der hintere Laufgraben (gelbe
Pfeile)
mit
Verbindungsgräben. Deutlich lassen sich viele Erdstellungen und
Unterstände erkennen.
Der
Panzergraben endete damit zunächst an einem Abhang (heute hinter
dem Fußballstadion). Anschliessend
begann der Graben erneut westlich des Gleiseinschnittes der Bahnlinie
Venlo-Kaldenkirchen an der Bovenste Molen, verlief in
westlicher Richtung, wurde durch den Steilhang unterbrochen und
mündete schließlich am Maasufer in die Maas-Stellung.
Gleichzeitig wurden auch in diesen Bereichen
Laufgräben, Stellungen und MG-Ringstände gebaut.
Durch
die Maas-Stellung, die als Brückenkopf auch auf dem westlichen
Ufer die Stadt umschloss und Teile der Maas-Rur-Stellung, die wie hier
dargestellt östlich der Stadt verlief, waren die Stadt Venlo und
Blerick damals von
feldmäßigen Stellungen zur Rundumverteidigung
vollständig umschlossen.
Heutiger
Erhaltungszustand:
Im Gegensatz zu den
südlichen Abschnitten der
Maas-Rur-Stellung sind die Bunker und Feldstellungen im Abschnitt
Straelen-Venlo durch die starke Erschließung von
Siedlungsflächen und
Verkehrswegen bei Venlo sowie durch Flurbereinigungen fast
vollständig verschwunden.
So sind die
großen Westwallbunker der 1939
erbauten Geldernstellung bei Herongen heute fast spurlos beseitigt.
Auch die
meisten 1944 angelegten Feldstellungen sind in
diesem Bereich
heute nicht mehr erhalten. Die Panzerhindernisse lassen sich bis
auf einen größeren Abschnitt bei Herungerberg und kleine Stücke im Bereich der Bovenste
Molen im Gelände
kaum mehr nachvollziehen.
In
einigen wenigen
Waldstücken, etwa westlich Dam, bei
Brüxken, bei Rieth, bei Herungerberg oder zwischen den
Wohngebieten im Osten Venlos lassen sich entlang
der Hangkante noch
wenige Reste der ehem. Laufgräben erkennen. Insgesamt kann
der feldmäßige Ausbau mit Laufgräben und MG-Nestern
heute noch bis an die Bundesstraße 58 bei Straelen
nachgewiesen
werden.
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Reste von
Ringstand Nr. 5 am Heronger Schullandheim
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In
diesem
Zusammenhang wurden bisher eine
gesprengte Ringstandruine am Hang westlich Dam (Ringstand Nr. 3)
sowie am
Schullandheim bei Herongen-Brüxken (Ringstand Nr. 5)
identifiziert, die
diesem Ausbau zuzuordnen sind. Daneben lassen sich im näheren
Umfeld weitere
Trümmerstellen auffinden. Aufgrund der
Zusammensetzung scheint es sich
dabei um die Reste weiterer Ringstände zu handeln,
deren ursprüngliche
Standorte bisher nicht rekonstruiert werden konnten. Ob und Wieviele
weitere Ringstände in diesem Abschnitt bis südlich Venlo
gebaut wurden ist bisher unklar.
Wie
bereits erwähnt sind heute im weiteren Verlauf der Stellung,
also bei Herungerberg, bei Venlo bis zur Bahnlinie Venlo-Kaldenkirchen
fast alle Feldstellungen beseitigt.
Karte
1:Detailkarte Abschnitt Brüxken- Venlo (Geobasisdaten © Land NRW, Bonn www.geobasis.nrw.de)
Im
Süden Venlos, im Bereich der Bovenste Molen und der Jammerdaalschen Heide, wurden bis heute vier
Ringstände in der Stellung (Nr. 10, 20 und 30) und
Bahnübergang Egypte (Nr.
40) festgestellt. In einigen unzugänglichen
Waldstücken der Jammerdaalschen
Heide sind heute noch Reste der ehem. Laufgräben
und Erdbunker erkennbar. Direkt
nördlich des gesprengten Ringstandes Nr. 20 finden sich heute
noch letzte Reste
des ehem. Panzergrabens im Wald.
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Ehem.
Ringstand am Bahnübergang Egypte (mittlerweile beseitigt) |
Der Ringstand am
Bahnübergang Egypte wies die
interessante Besonderheit auf, dass hier nur die Oberseite eines
Ringstandes
auf dem vorhandenen Tunnel für Feldbahnen aufbetoniert wurde.
Es handelte sich
also nicht direkt um einen Regelbau. Der Zugang erfolgte dabei offenbar
durch
den Tunnel. Diese Konstruktion wurde im Jahre 1995 im Zuge von
Gleisbauarbeiten
abgerissen und der Feldbahntunnel, der einst dem Tontransport zur Maas
diente,
im Gleisbereich verfüllt. 4
Durch den Ton- bzw. Kiesabbau in der
Jammerdaalschen Heide sowie die Bebauung im Stadtteil Tegelen-Heide
gingen wohl
die allermeisten Feldstellungen im weiteren Verlauf verloren, sodass der
genaue
Verlauf der Stellung in diesem Bereich nur schwer zu rekonstruieren
ist.
Vermutlich wurden so auch weitere Ringstände zerstört
bzw. verschüttet. Im
Bereich einer ehem. Mülldeponie südlich Jammerdaal
soll beispielsweise ein
Ringstand verschüttet worden sein. Ebenfalls soll sich ein
Bunker direkt an der
Strasse zwischen Tegelen und Kaldenkirchen befunden haben.
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Fußnoten- Klicken Sie
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1. nach
Baustandskarte Niederrhein in BAM RH 11-III, sowie US-Defense Overprints
2. Kurzberichte
über den Ausbau der dt. Weststellung des Fest.Pi.Kdr. XXI in
BAM RH 11-III
3. Luftbilder
RAF 22. November 1944
4. Dagblad
voor Noord-Limburg (NL), 11. November 1995
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